Erscheinungsjahr: 2021        WER 6434 2    

Mark Barden

Anatomy

Mark Bardens Musik führt uns an die Grenzen unseres Hörens und lädt uns ein, an ihr teilzuhaben, sie zu erfahren. Feine Abweichungen, Unterscheidungen und gehaltene Klänge überwiegen auf dieser Porträt-Aufnahme, so Paul Griffiths im Booklettext. Dabei sucht Barden die Extreme.
„Veil“ steht am Rande der Lautlosigkeit. Die Eigenschaften eines Schleiers (engl.: veil) werden hierbei musikalisch beleuchtet: Zwei Piccolo-Flöten verhüllen sich, legen Schichten aus Tönen und Atemgeräuschen übereinander und beschreiben die Instabilität und Durchsichtigkeit eines Schleiers.
Wieder andere Stücke gehen an die Grenzen des Ambitus der Instrumente. So wird in „cleft“ (dt.: Kluft) die tiefe Seite des Cellos so weit heruntergestimmt, dass es den Tonumfang eines Kontrabasses erreicht. In diesem längsten Werk der Porträt-Aufnahme steht – wie auch in anderen Stücken – das Wechselspiel zwischen Nähe und dem Auseinanderstreben der Instrumente im Fokus. Gerade durch diese Dichotomie entsteht Unverhofftes: „Können wir uns vorstellen“, fragt der Komponist, „dass die Lücke zwischen den auseinanderklaffenden Schichten nicht leer steht, sondern vor chaotischer Gewalt tobt?“
Die vielfältigen Beziehungen der Stimmen zueinander werden in kleinen Besetzungen ausgelotet. Aber auch das vermeintlich größer besetzte Ensemblestück „aMass“, interpretiert vom ensemble mosaik, bringt drei sehr unterschiedliche Trios klanglich einander näher. Die klanggewaltigste Komposition dieses Porträts bildet Bardens bislang größtes Werk, „anatomy“ für Schlagzeug solo und großes Orchester, hier zu hören mit Brian Archinal und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Peter Rundel.

Mark Bardens Werke verstehen Klang als ein grundsätzlich physisches Phänomen. Indem er die Gewalt von Klangerzeugung betont – das Greifen, Schlagen und Kratzen –, lädt er das Publikum ein, nicht nur zuzuhören, sondern den Klang auch körperlich zu erfahren. Neuere Stücke verbinden Virtuosität mit geräuschbasiertem Klangmaterial und streben nach einer nach innen gewandten Komplexität, welche, ähnlich wie Mikroskop-Ansichten von Zellen oder Atomen, zugleich lebensbejahend und von einem schwindelerregenden Detailreichtum geprägt ist.

Barden (geb. 1980, Cleveland, USA) komponiert Konzertmusik und Klanginstallationen mit und ohne Live-Musiker. Er studierte Komposition bei Lewis Nielson, Rebecca Saunders, Mathias Spahlinger, Jörg Widmann, Roger Redgate und absolvierte Abschlüsse am Oberlin Conservatory, an der Hochschule für Musik Freiburg und am Goldsmiths. Bardens Arbeit erhielt zahlreiche Auszeichnungen u.a. der Ernst von Siemens Musikstiftung, der GEMA, der Darmstädter Ferienkurse, der Akademie der Künste Berlin und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Auftragswerke führender Kulturinstitutionen und Festivals (u. a. Donaueschingen, Witten, Wien Modern, Goethe Institut) werden u.a. von Klangforum Wien, Ensemble intercontemporain, ensemble recherche, dem Mivos Quartett, KNM Berlin, ensemble mosaik, Nicolas Hodges, dem Arditti Quartett aufgeführt. Mark Barden ist Professor für Komposition an der Hochschule für Musik Detmold. Seine Partituren sind bei der Edition Peters verlegt.

www.mark-barden.com

 

CD: anatomy

1 Veil (2012)
für zwei Piccoloflöten
Matteo Cesari · Helen Bledsoe

2 aMass (2015)
für verstärktes Nonett
ensemble mosaik: Bettina Junge, Flöte · Simon Strasser, Oboe · Christian Vogel, Klarinette · Roland Neffe, Schlagzeug · Ernst Surberg, Klavier · Adrian Pereyra, E-Gitarre · Chatschatur Kanajan, Violine · Karen Lorenz, Viola · Mathis Mayr, Violoncello · Arne Vierck, Klangregie
Leitung: Enno Poppe

3 personæ (2009)
für Bassflöte und Bassklarinette
Helen Bledsoe, Bassflöte · Carl Rosman, Bassklarinette

4 lamentoso (2016)
für Piccoloflöte und Fagott
Helen Bledsoe, Piccolo · Lorelei Dowling, Fagott

5 cleft (2017)
für Violine und Violoncello
Ashot Sarkissjan, Violine · Séverine Ballon, Violoncello

Études 1–3 (2017)
für Klavier solo

6 Velocity Gauge
7 Mirrors, Masks
8 On Affect and Nostalgia

Joseph Houston, Klavier

9 anatomy (2010)
für Schlagzeug solo und großes Orchester
Brian Archinal, Schlagzeug
Deutsches Symphonie-Orchester
Leitung: Peter Rundel

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